Karneval in der Hochburg des Nordens
Hanse-Marathon Hamburg

Mai 1989: Der Norden taut auf. Südländische Stimmung, soweit das Auge schaut. Start und Ziel in der Nähe des Tele-Michels auf dem Messegelände "Planten und Blomen". 10.000 Teilnehmer. Trotzdem ein relativ flotter Start. Die Sonne meint es gut. Das wird ein heißes Tänzchen.

 Auf der Reeperbahn morgens um halb zehn

Kein City-Marathon ohne Sponsoren. In Hamburg dabei: u.a. die BILD- Zeitung. Kostprobe gefällig ?

Auf der Reeperbahn stehen einige "Damen" in Positur. Sie warten nicht auf Kundschaft, sondern auf die Handbewegung eines 3-Groschen-Reporters im Hintergrund, um im richtigen Moment die Oberbekleidung ein wenig anzulupfen. Aus einer vorbeikommenden Gruppe schaut ein Läufer in Richtung "Blickfang". Die Kamera klickt. Der Aufhänger ist in der Kiste. Tags darauf kann sich dann jeder ein BILD davon machen, wie primitiver Boulevardjournalismus funktioniert:

 "Einer wollte es wissen"

Zu dieser Überschrift das "gestellte" Foto mit einer Läufergruppe vor einem barbusigen Hintergrund. Nebenbei bemerkt: Die Reeperbahn ist bei Tag betrachtet eine stinknormale Straße an der Grenze von St.Pauli zu Altona. Und die gewissen Etablissements, an denen sich die Phantasie der Touristen so gerne entzündet, sind von der AIDS-Welle zum großen Teil ins wirtschaftliche Abseits gespült worden. Das heißt aber nicht, dass die armen Hausbesitzer nunmehr am Hungertuch nagen. Viele Häuser sind bis auf den letzten Quadratmeter mit Asylanten voll gepfropft und werden anschließend zu Wuchermieten bei der Ausländerbehörde abgerechnet.

Und noch eine Erkenntnis: Wenn Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn durch die Gegend rasen, werden nicht unbedingt aus den Latschen gekippte Maratonis zur nächsten Intensivstation befördert. Meist sind es - wie beim Karneval - volltrunkene Alki's, die in der Volksfeststimmung am Straßenrand einen willkommenen Anlass sehen, den Niederungen des Alltags zu entfliehen.

 Durch die Hölle des Nordens

km 35 : Ohlsdorfer Bahnhof. Die Beine werden müde, die Schritte langsamer. Eine Seniorin aus der Altersklasse W60 überholt mich in lässiger Manier. Ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Nur gut, dass ich kein Promi bin und kein BILD-Geier im Hintergrund lauert. Sonst könnte ich am nächsten Tag wahrscheinlich folgende Schlagzeile nachlesen:

 Sportreporter (39) von Rentnerin vernascht !

Ansonsten läuft es diesmal wesentlich besser, vor allem ohne Gehpausen an den zahlreichen Getränkeständen. Wer hier stehen bleibt, um sich genüsslich einen Becher Flüssigkeit zu gönnen, kommt nur schwer wieder in Gang. Es ist wie in Sibirien bei minus 40 Grad. Die Motoren der Straßenfahrzeuge müssen ununterbrochen laufen, weil sie - einmal abgeschaltet - kaum wieder in Schwung kommen.

 Bier und Lauf, da pass auf !

Durst ist sclimmer als...Ein weiterer Sponsor: Die Bavaria St-Pauli Brauerei, vertreten mit reichlich Freibier, u.a. 10.000 Dosen ASTRA- Pils hinter dem Zielbereich.

Bier und Lauf, passt das überhaupt zusammen? Dazu der Hauptsponsor: "Klar! Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass in Bier viele Stoffe sind, die der ausgelaugte Körper braucht. Und  e i n  Pils hat noch keinem geschadet."

Recht hat er! Nur bei einem ausgemergeltem Körper ist der Verstand oft im Eimer. Das Ende vom Lied: Der Autor und sein Rucksack bis zum Platzen gefüllt mit Dosenbier. Auf dem Weg zum Bahnhof fast zusammengebrochen unter der schweren Last.

Die Rückfahrt im Intercity feucht-fröhlich und ohne Versorgungsprobleme. Aber ... wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe. 
 
Hauptsache versichert

Kommt der Vertreter von der HAMBURG-MAFFIA zum Jogger: "Ich kann Ihnen für Ihren Sport die ideale Versicherung anbieten."  "Und die Leistungen ?"  "Oh, die sind ausgezeichnet. Wenn Sie sich zum Beispiel ein Bein brechen, bekommen Sie 8.000 Mark. Wenn Sie sich beide Beine brechen, bekommen Sie 20.000 Mark."  "Sehr gut. Und wie geht es weiter ?"  "Wenn Sie sich das Genick brechen, sind Sie ein gemachter Mann."

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