Die Freude der Kolonisten über die Ankunft in Jütland und die Zuweisung eigenen Landes ist schnell verflogen; denn von Baumaterial für die Errichtung von festen Häusern ist weit und breit nichts zu sehen.
Statt dessen ist man gezwungen bei dem rauen Klima in Erdhöhlen zu vegetieren: gegründet auf sandig-moorigem Ödland und mit einer Bevölkerung im Rücken, deren Sprache man nicht versteht. Aber immerhin versteht man doch soviel, dass auf diesem gottverdammten Boden nie und nimmer etwas Essbares wachsen würde.
In einem Inspektionsbericht des Legationsrats Moritz aus dem Jahre 1760 wird berichtet, dass die Kolonisten in ihren Gärten arbeiten würden.
Zugvieh besäßen sie noch nicht. Ihre Hütten bestünden aus Torf.
„Einige sind schon darin gestorben,
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Die Wände und der Boden sollten doch wenigstens mit Brettern beschlagen werden!
So kommt es bereits im Juni 1760 zu ersten Meutereien. Kolonisten wollen ihr Land nicht annehmen und wieder zurückkehren, wenn ihnen kein besseres gegeben wird.
Andere sind bereits auf der Suche nach besseren Gegenden. Das Projekt droht zu scheitern.
Als Sofortmaßnahme wird zunächst einmal der Zuzug weiterer Kolonisten nach Jütland gestoppt. Statt dessen werden neue Ödlandgebiete im Herzogtum Schleswig für die Kolonisation freigegeben.
Es handelt sich hierbei um die Geestlandschaft des Schleswiger „Mittelrückens“, die sich von Rendsburg aus nach Norden erstreckt. Noch heute erinnern zahlreiche Ortsnamen, die mit den dänischen Königsnamen Friedrich oder Christian zusammengesetzt sind, an die damalige Gründerzeit: Friedrichsgraben, Christiansholm, Friedrichsfeld, Königsmoor, Friedrichsheide, Christianshoffnung, Friedrichsanbau, u. dgl.
Der machtpolitische Hintergrund
der Kolonisationszeit
Die Jahre zwischen 1700 und 1763 sind in Europa angefüllt mit politischen Spannungen und kriegerischen Auseinandersetzungen größten Ausmaßes. Im Nordischen Krieg (1700-1721) kämpfen die Großmächte Schweden und Russland um die Vormachtstellung im Ostseeraum.
Der dänische König Friedrich IV steht auf der russischen Seite. Sein Namensvetter Herzog Friedrich IV von Gottorf ist hingegen mit Schweden verbündet. Sein Pech: Er stirbt nördlich von Krakau den Heldentod. Sein Sohn verliert das Schloss an der Schlei und sämtliche Besitztümer im Lande Schleswig. Diese werden von Dänemark kassiert, das in weiser Voraussicht auf das siegreiche Russland gesetzt hat.
1725 sinnt der vertriebene Sohn Karl Friedrich auf Rache und heiratet die älteste Tochter des Zaren Peters des Großen. Seine Thronbesteigung wird hintertrieben, aber zumindest schafft es sein Sohn Karl Peter Ulrich 1742 zum russischen Thronfolger ernannt zu werden.
Am Hofe Friedrichs V. von Dänemark beginnt nun das große Zittern, da man eine Revanche fürchten muss. Das dänische Heer, das 1740 nur 6.500 Mann stark ist, wird in den nächsten 20 Jahren auf 36.000 Mann verstärkt.
1756 kommt es im siebenjährigen Krieg zum entscheidenden Kampf der Großmächte: Das verbündete Russland, Österreich und Frankreich auf der einen, Preußen und England auf der anderen Seite. Für die Völker in der Mitte Europas heißt das: sieben Jahre Morden, Plündern, Brandschatzen durch marodierende Armeen. Außerdem ist durch den Krieg zwischen England und Frankreich um die überseeischen Kolonien keine Auswanderung nach Nordamerika möglich. Dagegen bleibt es in der gleichen Zeit im Norden Europas relativ ruhig.
Am 5.Jan.1762 stirbt die Zarin, und der revanchelüsterne Großfürst
aus dem Hause Gottorf, besteigt als Peter III. den Zarenthron. Um seine ehemaligen Ländereien zurückzuerobern schickt er eine Armee in
Richtung Schleswig. Von Osten her fällt diese in Mecklenburg ein, während von Westen her eine dänische Armee heranrückt. Schon
nähern sich beide Armeen bis auf 10 Meilen, da geschieht aus dänischer Sicht ein Wunder:
Zar Peter III. wird am 17.Juli 1762 ermordet und seine Frau, die als Katharina II. den russischen Thron übernimmt, hat kein Interesse
an einer Fortsetzung des Krieges, so dass es am 15.Februar 1763 zum Frieden von Hubertusburg kommt.
Ganz ungeschoren kommen die dänischen Untertanen doch nicht davon. Die "großen Ausrüstungen zu Wasser und zu Lande seit dem Jahre 1756 bis dato" haben die Staatsschulden auf gigantische 19,5 Millionen Taler anschwellen lassen. Um die Verschuldung abzubauen, wird im September 1762 eine zusätzliche "Kopfsteuer" eingeführt: Jeder Untertan ab 16 Jahren wird gezwungen, eine Extraabgabe zu entrichten von jährlich einem Reichstaler (in heutiger Kaufkraft etwa 30 EURO).
Auch die seit 1760 ins Land gerufenen Kolonisten sollen geschröpft werden, obwohl man ihnen höchstfeierlich 20 Jahre Befreiung von allen
Steuern und Abgaben zugesagt hatte. Das Geld wird in diesem Fall über ein „Hintertürchen“ hereingeholt: nämlich durch entsprechende
Kürzungen bei den ohnehin kärglichen Unterstützungszahlungen.
Jubelfest in Schleswig
Der 24.Juli 1761 ist ein großer Tag in den Annalen der Moor- und Heidebesiedlung. Angetreten „vor den königlichen Fenstern“ auf dem Schlossplatz zu Gottorf/Schleswig sind 388 männliche Kolonisten, eingeschlossen „die erwachsenen und schon zum heiligen Abendmahl oder zur Confirmation gewesenen Jünglinge“.
Ehe man zur feierlichen Handlung schreitet, bringen die Sprecher der Kolonisten noch zwei Bitten vor: Die Kolonialbehörde möge
1. mit der Zuteilung der Landfläche nicht zu kleinlich verfahren und
2. doch für die Ausübung des Gottesdienstes wie für den Unterricht der Kinder Sorge tragen.
Beides wird ihnen huldreich zugesagt.
Anschließend hält der Amtmann v.Plessen eine lange, wohlgeformte Rede über Pflichten und Rechte der Staatsbürger und die Güte
und salomonische Weisheit ihres Herrschers, König Friedrich V. von Dänemark. Sodann sprechen alle Kolonisten mit erhobenen Fingern
eine lange Eidesformel zu Gott und zu seiner Majestät, dem Allerdurchlauchtigsten, etc, etc. Damit werden sie offiziell dänische Staatsbürger mit
allen Rechten und Pflichten. Zu letzteren gehört auch, dass sie nicht ohne behördliche Genehmigung das Land wieder verlassen dürfen.
Tun sie es dennoch, werden sie als Deserteure verfolgt wie beim Militär.
„Auf die Endigung des Eydes“, so berichtet der Amtsschreiber Jensen
„stimmen alle Colonisten (...) unter Aufwerfung der Hüte ein dreyfaches
Jubelgeschrey an“. Man ist zu Tränen gerührt und der Schlosskommandant
untermalt die Aufwallung der patriotischen und brüderlichen Gefühle
„mit 27maliger Abfeuerung der Kanonen unter dem Schalle der Pauken und
Trompeten“. Dann schreitet man zur Verlosung des Landes, nämlich
der 250 ausgewiesenen Kolonistenstellen.
Zum Abschluss dieses denkwürdigen Tages werden die Leute „nach ihren bey Schleswig liegenden Wirtshäusern ( = Quartiere) gebracht,
mit Getränken und kalten Speisen erquicket und mit Tanzen erlustigt“.
Quelle: www.fhi-berlin.mpg.de/wm/paint/auth/bruegel/dance.jpg
Reservisten in Wartestellung
Leer ausgegangene Bewerber werden in einer Reserveliste festgehalten und können später nachrücken, wenn Stellen vacant werden. Und dies ist oft genug der Fall, denn viele Familien sind den Strapazen in der Gottorfer Heide nicht gewachsen und müssen nach kurzer Zeit aufgeben. Auch die Familie Adam Reble ist in einer Reserve-Liste eingetragen: mit Datum vom 5.8.1763 unter der Nummer 146 (von 338) Amt Flensburg.
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Neuanfang in Neubehrend
Am 8 NOV 1764 ist es endlich auch für die Familie Reble so weit. Vor den Toren von Schleswig, in Neubehrend, kann ein Hof übernommen werden (Heute: Neuberend, Klosterreihe 115)
Doch der Ertrag ist mager. Der älteste Sohn Johann hat sich schon vorher nach Friedrichsanbau abgesetzt.
Der Rest der Familie wechselt 1772 nach Königshügel bei Schleswig, übernimmt dort den Stollberg Hof und bewirtschaftet diesen bis 1776 (Heute: Königshügel, Dorfstr.16)
Dies ist wahrscheinlich die letzte Station in einem Leben voller Arbeit, Hoffnungen und Entbehrungen. Der jüngste Sohn Adam stirbt 1775 in Königshügel im Alter von 14 Jahren. Was aus den übrigen wird, wissen wir nicht.
Verfolgen wir daher die Spur von Sohn Johann. Sie führt in das Kirchspiel Kropp, auf halber Strecke zwischen Rendsburg and Schleswig.
Am 12 JAN 1765 berichtet der Inspektor Kamphövener über seinen Distrikt:
Friedrichsanbau
"Bestehet aus 15 Familien und das Land aus Heide und Mohr. Der Mangel bestehet auch darin, daß bey den Plätzen kein Wiesenwachs ist. Vortheile besitzet diese Colonie gar nicht (...) Nr.4 - Georg Hubers Witwe: führt gut Haus und Landwesen; hält einen Tagelöhner; zwei Pferde, eine Kuh (...)" |
Wahrscheinlich verbirgt sich hinter dem obigen „Tagelöhner“ der spätere Schwiegersohn Johann Reble.
Er heiratet 1765 Catharina Louise, die Tochter von Georg und Eva Catharina Huber und übernimmt 1774 den Hof (Heute:
Klein-Bennebek, Friedrichsanbauer Str.11).
Was die Viehbestandsmeldung für die Familie Huber/Reble anbetrifft, so liegt der Normalfall vor, d.h. als Grundausstattung das erhaltene „Königliche
Beschlagsvieh“, als da sind: 2 Ochsen als Zugtiere (stattdessen z. T. auch Pferde), 1 Kuh, 2 Schafe.
10 Jahre später sind in Friedrichsanbau je Stelle durchschnittlich 1,5 Pferde und 3 Kühe vorhanden.
Dieser Bestand stagniert im wesentlichen bis 1883, also bis 20 Jahre nach Gründung.
3 Kühe pro Familie ist relativ wenig, wenn man bedenkt, dass die damaligen Kühe nicht wie heute 30 und mehr Liter Milch am Tag
geben, sondern wahrscheinlich alle deutlich unter 10!
Und wenn davon noch Butter auf den Wochenmarkt gebracht werden soll, muss das eigene Brot meistens ohne Butter verzehrt werden.
... sind im wesentlichen die Ackerfrüchte der Kolonisten. Für die Aussaat von Roggen werden pro Stelle ca. 150 Kilo benötigt. Der Ertrag ist dürftig, oft nur zweifach, allgemein dreifach. Aus einem Netto-Ertrag von 300 kg Roggen kann eine Kolonistenfamilie rund 80 Brote backen. Das ist für eine fünfköpfige Familie nicht viel.
Der anspruchslose Buchweizen wird von den Einheimischen übernommen und spielt lange Zeit eine bedeutende Rolle in der Ernährung. Noch bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts fehlt in keinem Bauernhaus des Schleswiger Mittelrückens auf dem Abendtisch die in Milch gekochte Buchweizengrütze. Von 1766 bis 1783 werden in Friedrichsanbau 200 kg Buchweizen durchschnittlich pro Stelle geerntet.
Ca. 250 kg beträgt die Ernte bei den Kartoffeln. Diese erweisen sich mehr und mehr als „Brot des kleinen Mannes“. Kartoffeln helfen das
Brot zu strecken, man kann sie gekocht auch ohne Zutaten mit Salz essen und die Abfälle als Viehfutter nutzen. Der Anbau ist für die
Aufbereitung des Bodens und die Bereicherung der Fruchtfolge äußerst nützlich.
Und hier sind es die Einheimischen, die nach und nach von den Kolonisten lernen.
Aus der Chronik der 5. Kolonie: Friedrichsanbau im Volksmund „de Föftein“ (wegen der 15 Einzel-Höfe) Kirchspiel Kropp - Amt Schleswig / Gottorf
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